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Eugenik und Transhumanismus: ihr Ermöglichungsgrund

In diesem Essay möchte ich meine These vorstellen, vor welchem geistigen Hintergrund der Gedanke einer substanziellen „Verbesserung“ der Gattung „Mensch“ mit den Programmen des Transhumanismus und den damit eng verbundenen Zielen der Eugenik entstanden sein könnte.

 

Transhumanismus (von lateinisch trans, jenseits, über, hinaus und humanus, menschlich) ist eine philosophische Denkrichtung, die die Grenzen menschlicher Möglichkeiten, sei es intellektuell, physisch oder psychisch, durch den Einsatz technologischer Verfahren erweitern will. Dabei werden zurzeit rechtliche, medizinrechtliche, beziehungsweise medizinethische Fragen von einem relativ kleinen Teil der Bevölkerung, aber unter großer Anteilnahme der Systemmedien und interessierter Kreise aus Politik und Gesellschaft diskutiert. Diese Fragen betreffen Begriffe wie „Geschlecht“, „sexuelle Orientierung“, Pronomen und insbesondere die Problematik, inwieweit eine „freie Gestaltung“ von Geschlecht und Sexualität in allen Konsequenzen mit geltendem Recht zu vereinbaren und notfalls auch verteidigt werden kann. Hinter dem medialen Spektakel „verschwinden“ viele der radikaleren Veränderungs- und Manipulationsideen. Hinter dem Transgender-Debattengesumme geht es letztlich um die völlige Veränderung des Menschen aus einem sterblichen, organischen Mängelwesen in einen unsterblichen, technologischen Homo superior. Die geplanten Frankensteinerien sehen die Verfechter des Transhumanismus als Verpflichtung des Menschen zum Fortschritt.

Ihren stärksten Wachstumsimpuls nahm die Bewegung vor allem im angelsächsischen Raum. Weiter unten zeige ich auf, woran dies meiner Meinung nach liegt.

Auch wenn immer wieder behauptet wird, es handele sich bei der Thematik um ein „Menschheitsproblem“, eine gewissermaßen globale Herausforderung, möchte ich auch hier schon, wie im Laufe des folgenden Textes immer wieder betonen, dass die Themen des Transhumanismus allein im judäisch-christlichen Kulturraum überhaupt als relevant eingestuft werden. Das gilt im übrigen auch für die Thesen einer wissenschaftlich betriebenen Eugenik.

 

Der Begriff Eugenik stammt von altgriechisch εὖ, gut und γένος‚ Geschlecht und bedeutet soviel wie Erbgesundheitslehre. Um das γένος zu verbessern sollen Erkenntnisse der Humangenetik, im Sinne einer gezielten Zuchtwahl, durch ordnungspolitische, wissenschaftlich fundierte Maßnahmen und eine umfassende Bevölkerungs- und Gesundheitspolitik durchgesetzt werden. Dadurch soll in den folgenden Generationen der Gen-Pool einer Population verbessern werden.

Das Ziel der Eugeniker wäre erreicht, wenn sich die Anzahl und die Ausprägung der, von ihnen selbst definierten und als solche erstrebten, positiv bewerteten Erbanlagen im Menschen zu verstärkt und die, als negativ bewerteten Erbanlagen aus dem Genpool unserer Gattung eliminiert worden wären. Eine „verschärfende“ Ergänzung zu diesem Ziel bilden die Ideen Malthus‘, der es für unerlässlich hielt, die Bevölkerungszahl von Menschen drastisch zu reduzieren.

Mit welchen „bevölkerungspolitischen“ Maßnahmen dies auch immer erreicht werden sollte, so geht es doch zuletzt dabei tatsächlich immer um Massenmord.

Viele wichtige Theoretiker der Eugenik sind bekannt. Dazu gehören in der Frühzeit der Bewegung unter anderem bekannte Personen wie Margaret Sanger, Julian Huxley, D. H. Lawrence, George Bernard Shaw, H. G. Wells und viele andere. 

 

Unter dem offiziellen Begriff „Rassenhygiene“ haben die Nationalsozialisten viele Kerngedanken dieser Eugeniker aufgegriffen, in ihre eigenen psychotischen Pläne eingebaut und auf die grauenvollste, mörderischste Art in ihren Ausrottungsmaßnahmen umgesetzt, indem sie die, von ihnen, als, des Lebens „unwerte“ gekennzeichneten Menschen millionenfach ermordeten.

 

Mir stellt sich die Frage, wie diese wahnsinnigen Pläne in Wort und Tat möglich gewesen sind. Was ist der geistige Hintergrund, die ideelle Rechtfertigung der zutiefst inhumanen, in der Konsequenz ihres Vollzugs mörderischen Eugenik und der absurden, megalomanischen und zutiefst irrationalen Phantasien des Transhumanismus?

 

Zur Klarstellung: ich halte jegliche Form von Eugenik mit ihrer lebensfeindlichen Programmatik für vollkommen inakzeptabel; natürlich vor allem, weil die, als nicht lebenswert kategorisierten Menschen getötet werden sollen, aber auch aufgrund der Tatsache, dass die Befürworter der Eugenik davon überzeugt sind, zu wissen, wie denn der Mensch zu sein habe, damit er „gut“ und, mindestens aus ihrer Sicht, „bewilligungswürdig“ und somit „wert“ sei zu leben.

 

Gerade heute, wo sich in den Nebelwolken „woker“ Agitation im Hintergrund immer wieder auch die Fratze eugenischer Zwangsvorstellungen zeigt und sich im Licht der pseudowissenschaftlichen Phantastereien des Transhumanismus die, am Menschen diagnostizierte, dessen von Eugenikern und Transhumanisten postulierte, „unerträglich“ verachtenswerte Minderwertigkeit zeigt, erscheint es so wichtig zu verstehen, wie solch perverse Albträume in der „westlichen“ Kultur so erfolgreich sein können; einer Kultur im übrigen, die allem Anschein noch nicht verstanden hat, dass spätestens seit der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts ihr Niedergang abzusehen ist, soweit sie in der längst überholten Vorstellung imperialer Dominanz und Glorie verankert ist.

Die Herrschaft, vor allem der Angloamerikaner, verdankte sich vor allem ihrer Skrupellosigkeit und ihrer Gewalt, und nicht dem Urteil „aufgeklärter“, wissenschaftlich-humanistisch geprägter und demokratisch regierender Philosophenkönige; auch wenn sie sich unter dem Signum ihrer „regelbasierten Weltordnung“ in völliger Verkennung der sich schnell verändernden politischen Verhältnisse auf diesem Planeten immer noch so gerieren wie die kolonialen Briten in Asien und Afrika.

 

Ich betone, dass es sich bei Transhumanismus und Eugenik um Projekte der westlichen Welt handelt. Weder in Asien oder Afrika, noch in weiten Teilen Südamerikas finden die Ideen des Transhumanismus Raum. Und auch im Westen haben die meisten Durchschnittsbürger kaum etwas über diese Ideen gehört, über deren Durchführung so intensiv von den sogenannten Eliten in ihren von Narzissmus und Größenwahn gesättigten Weltbeherrschungs-Phantasien phantasiert wird.

Die propagandistische Inflation des vom Westen geprägten Kampf-Begriffes der „Globalisierung“ kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Menschen insbesondere in Hinsicht auf die geistigen Hintergründe ihrer Kulturen zutiefst von einander unterscheiden. Lange vom Westen dominierte Kulturen streben danach, sich mit neuem Selbstbewusstsein zu emanzipieren. Die nicht-christlich-judäische Mehrheit ist nicht mehr bereit, sich dem Willen und den Neurosen des Westens zu unterwerfen.

 

Worin wurzelt aber die Kultur des Westens und was macht die Menschen im Westen so anfällig für die menschenverachtenden Gedanken von Eugenik und Transhumanismus. Darauf will ich jetzt einen Blick werfen. An dieser Stelle möchte ich auch schon darauf hinweisen, dass sich ein Text zur „Epigenetik der Kultur“ mit dieser Frage auseinandersetzen wird.

 

Der gemeinsame Ursprung der sogenannten westlichen Kultur liegt in den christlich-judäischen Religionen mit ihren, vornehmlich im Alten Testament wurzelnden zentralen Dogmen.

In China sind Ahnenkult und Konfuzianismus sowie Elemente des Taoismus kulturell bestimmend, in Indien der vedisch-brahmanische Karma-Glaube. In Afrika leben animistische Traditionen in Verbindung mit starken christlich, muslimischen Einflüssen und führen zu dementsprechend gänzlich verschieden Kulturen. Auch Südamerika unterscheidet sich vom „Westen“ durch die Symbiose von Katholizismus und indigenen Religionen.

 

Nur in den christlichen Dogmen finden sich die für die Programme von Transhumanismus und Eugenik zugrundliegenden, sie ermöglichenden und vielleicht sogar verursachenden Thesen. Die christliche Dogmatik wiegt dabei schwerer wie der jüdische Glauben, aus dem es hervorgegangen ist, obwohl ausgerechnet der israelische „Universalhistoriker“ Yuval Harari zu einer der Hauptpropagandisten des aktuellen Transhumanismus wurde, denn die christliche Kultur im Gewand des „Westens“ wurde zum mittlerweile toxisch gewordenen globalen Machtfaktor.

 

Im Zentrum meiner Überlegungen finden sich insbesondere die Lehre von der Erbschuld sowie die Prädestinations- und Gnadenlehre, die sich, über die Jahrhunderte als extrem prägend für die Psychen der Menschen im Westen und ihre Kultur erwiesen.

 

Die Kernaussagen gehören zum seelischen Sediment unserer Kultur. Damit meine ich alle die Merkmale, die in der Diktion Kants zu den apriori, also vor allem willentlichen Erwerb, gewissermaßen angeboren zur Grundausstattung des Menschen eines Kulturkreises gehören. Deshalb könnte man sagen, der Kulturraum, in den der Mensch hinein geboren ist, in dem er aufwächst, bestimmt den Menschen, denn der Mensch ist ein durch und durch kulturelles Wesen. Diese Grundausstattung unterscheiden sich von Volk zu Volk, von Kulturraum zu Kulturraum erheblich. Erkenntnis, Verständnis und Selbstverständnisse der Menschen sind an die angeborene Teilhabe an ihrer jeweiligen Kultur gebunden. Die Konfrontation mit den Phänomenen fremder Kultur löst kognitive Dissonanzen aus mit der Tendenz, dass diese sich am geistig-seelischen Ort der Verunsicherung kognitive Mauern bilden. Diese Spannungen haben in der Geschichte immer wieder dazu geführt, dass die stärkeren Kulturen zu Beherrschern aufwarfen.

    

Somit ist der Mensch zunächst als Ausübung als Erscheinung der geistigen Werte seiner Lebenswelt zu sehen und zu verstehen; zum Guten wie zum Bösen. Er ist in einem umfassenden Sinne bestimmt durch Sprache, Ethos, Lebensformen, Kunst und Religion.

 

Die grundlegenden Elemente von Kultur allerdings sind im Laufe der Generationen von Menschen und deren Interessen festgelegt worden. Dies gilt insbesondere für die Strukturen, die Grundnormen und Selbstverständnis und dadurch zuletzt Denken und kulturelle Identität bestimmen.

In dieser, im Laufe der Zeit festgelegten Ordnung finden die Menschen Stabilität, zum Guten wie zum Bösen. So wird der Kulturraum zu einem identitätsbestimmenden, grundlegenden Konstituens, dass nicht so leicht hinterfragbar ist und auch nicht so leicht verlassen werden kann; wenn dies überhaupt wirklich möglich ist, denn wir nehmen uns als Gewordene in jeden Erkenntnis -und Veränderungsprozess mit hinein. Auch in Zeiten des Narrativs vom Globalismus: ohne anstrenge, oft schmerzhafte Selbsthinterfragung bleiben wir immer beim Blick „durch die selbe Brille“.

  

In unseren jeweiligen Kulturraum werden wir hinein geboren; daraus ergibt sich das Bild einer kulturellen DNA.

Und zu einem Teil unserer westlichen kulturellen DNA gehören die christlichen Dogmen von der Erbschuld, von Prädestination und Gnade.

Die Grundstrukturen eines Kulturkreises könnte man auch Gattungsbewusstsein oder Kollektives Unbewusstes nennen.

 

Nun zu den Elementen, von denen hier die Rede sein soll:

Die Erbschuld belastet die Menschen mit dem Wissen, als Nachfahren unserer fernen, direkt Gottes schöpferischer Hand entstammenden Urahnen, von Adam und Eva, direkt und unausweichlich mit deren Schuld belastet worden zu sein. An deren Verstoß gegen Gottes Gebot, an deren Sünde haben alle Menschen teil, bevor sie je selbst schuldhaft gehandelt hätten. Mit dieser Schuld sind die Menschen als Erben unserer Ureltern befleckt. Denn gemäß der Schöpfungsgeschichte erlagen Adam und Eva den Einflüsterungen des Teufels, der sie in Gestalt der Schlange dazu verführte, von der Frucht des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen.

Damit machten sie ihre erste „freie“ Tat zu einer „bösen“ Tat. Dieser Anteil am Bösen wurde gemäß der Schöpfungsgeschichte konstituierend für alle Nachfahren von Adam und Eva. Und aus dieser Ur-Schuld rührt dem Dogma gemäß ein grundlegender geistig-seelischer Mangel am Menschen, der so zu einem Wesen des Unheils wird: er ist schlecht, ungenügend und in jeder Beziehung verbesserungswürdig.

Der ungeheure Gedanke, dass allein durch diese Tat der Mensch überhaupt in seine Würde als erkenntnis -und sogar wahrheitsfähiges Geschöpf eingesetzt wurde erhielt in diesem Kontext tragischerweise nie den ihm zustehenden Rang.

 

Das es so sein würde mit dem Sündenfall, das „wusste“ Gott schon im Akt der Schöpfung, denn dieses „Wissen“ ist in der göttlichen Allwissenheit begründet, die sich in der Prädestinationslehre ausdrückt: was auch immer ist, ist in Gott bereits geschehen.

Prädestination heißt Vorherbestimmung. Die Prädestinationslehre besagt, dass Gott schon bei der Schöpfung das Schicksal der Menschen vorherbestimmt, oder genau festgelegt hat. Damit weiß Gott schon bei der Schöpfung um das Leben von Lieschen Müller in Köln im Jahre 2021. Das kann er aber nur wissen, weil es „in“ ihm immer schon geschehen ist. „Von Ewigkeit zu Ewigkeit“, gewissermaßen. Das Schicksal von Lieschen wird allein von der Freiheit und Unerkennbarkeit des Handelns Gottes bestimmt, unterliegt damit dessen „unbegreiflicher“ Willkür. Von der Schöpfung aus gesehen liegt damit auch fest, ob Lieschen, von Gott „erwählt“, in den Himmel kommt, oder ob er sie „verwirft“ und sie damit ewiger Verdammnis in der Hölle anheimfällt.

Ihre „Erlösung“ hängt also zuletzt nicht von ihrem Handeln oder Glauben ab, sondern allein von der, von Anfang an feststehenden, „Entscheidung“ Gottes. In diesem Kontext liegen die Wurzeln der Gnadenlehre, die eben betont, dass es allein in Gottes Freiheit liegt, wie die Frage nach Himmel oder Hölle sich entscheidet.

 

Schon Paulus hatte seine liebe Mühe mit Gottes Willkür, so wie sie sich in der Geschichte von den Brüdern Jakob und Esau zeigte. Esau, als Erstgeborenem gebührte nach altem Recht der kostbare väterliche Segen. Jedoch gefiel es Gott, Jakob bei seinem Täuschungsversuch zu unterstützen, mit dem er sich den Segen seines Vaters Isaak erschlich.

Der einzige Weg, endlose theologische Kontroversen über das Tun Gottes zu vermeiden, bestand darin festzuhalten, dass Gott nach seinem unbegreiflichen Willen entschieden habe und das könne nicht falsch gewesen sein und dürfe nicht hinterfragt werden. Der einzige gültige Zirkelschluss: Was Gott sagt ist wahr, weil Gott es sagt!

Dies besagt im Wesentlichen, dass Wohl und Wehe, Verdammnis oder Erlösung allein in Gottes Hand und unbegreiflichem Handeln liegt. Trotz der einmaligen Beweiskraft oben genannten Zirkelschlusses führten die offenen Probleme um dieses schwierige Thema zur Frage der Theodizee, also nach der Frage, warum Gott das Böse zulasse. Nur Hiob blieb unangefochten bei seinem Glauben.

 

Es finden sich in den verschiedenen christlichen Lehren unterschiedliche Deutungen dieses grundlegenden Dogmas von der Prädisposition mit einerseits „milderen“ Formulierungen, die dem Menschen noch einen gewissen Raum geben durch Reue, Busse und Lebensänderung, Gott zur Gnade zu bewegen und andererseits radikalere Deutungen, nach denen die von Anfang an getroffene Wahl Gottes unveränderlich sei.

Der „milde“ rheinische Katholizismus behauptet, dass der Selbstmörder beim Vollzug einer Todsünde, die ewige Verdammnis vermeiden kann, wenn er kurz vor dem letzten Atemzug noch „rechtzeitig“ seine Reue Ausdruck verleiht. Das käme für den Calvinisten so nicht infrage, der eher „doppelt“ ewige Verdammnis fordern würde. In Wahrheit bleibt der Ausgang der Geschichte aber allein Gottes unabänderlichem Ratschluss überlassen.

 

Aber das Grundprogramm von Prädestination und Gnadenlehre bleibt bestehen: Der Mensch ist mangelhaft und böse, sein Schicksal ist von Gott vorherbestimmt und kann vom Menschen her nicht geändert werden. Es bleibt allein die Hoffnung des Menschen, zu denjenigen zu gehören, die Gott auserwählt hat und die deshalb in den Himmel kommen.

Der Klasse von Priestern, die sich um diese Dogmen herum bildete, gelang es, diese grauenvollen Aussichten des Menschen in eine Religion einzubinden, in der Priester Hoffnung auf Vergebung, Erlösung und Gnade vermittelten aber bei Fehlverhalten auch mit unendlichen Qualen drohten. Daraus resultierte über zweitausend Jahre eine ungeheure Macht über die Glaubenden.

Die kriminologische Frage „qui bono?“ liefert einen starken Hinweis auf die Quelle dieser „Zwangsmittel“ in der Priesterklasse selbst.

Ein liebender Gott ist als Ausgangspunkt so grauenvoller, potenziell alle Menschen eines Kulturkreises an Geist und Leben vergiftender Lehren nicht denkbar. Die schöneren, Heil-versprechenden Elemente des daraus entstandenen Christentums haben, meiner Meinung nach, diese verhängnisvolle Botschaft aber leider niemals aufwiegen können.

 

Die Prädestinationslehre wurde zu einem wesentlichen Element des reformierten Christentums, insbesondere in den Programmen der Calvinisten und der überwiegend angelsächsischen Puritaner, die die radikalsten Versionen dieser Lehre hervorbrachten. Den Puritanern und Calvinisten gelang es, daraus ein zentrales Instrument ihrer Macht über die Seelen und auf wirtschaftlich-militärischem Weg über die Welt zu schaffen.

 

Die priesterliche Version von Gottes Beschluss über ewiges Leben oder ewigen Tod bleibt für den Menschen unverstehbar: Es bleibt ihm Angst und Ungewissheit. Wie ertragen die Gläubigen diesen existenziellen Konflikt?

 

In der priesterlichen Praxis bildeten sich unterschiedliche seelsorgerische Ansätze heraus, die zu höchst wirksamen Narrativen führten.

Der von Angst um sein Seelenheil verunsicherte Mensch sei durch seine aus seiner Unsicherheit gespeisten Zweifel leicht vom Teufel zu verführen. Deshalb wurde es ihm geradezu zur Pflicht gemacht, auf Gottes Wahl zu „vertrauen“ und sich selbst zu den Erwählten zu zählen und so solle auch sein Leben aussehen – nämlich wie das eines Erwählten.

So kommt es nicht von Ungefähr, dass sich die Pilgerväter und ihre amerikanischen Nachfahren selber als „the saints“, „die Heiligen“, verstanden und sich folgerichtig die Amerikaner auch heute noch als „Gods own people“ sehen und sich entsprechend zu verhalten, indem sie sich zuletzt als die von Gott gesetzten Herrscher der Welt aufführen.

Durch die bald nicht mehr bezweifelbare Überzeugung „tatsächlich“, von Gott erwählt worden zu sein, liegt die „ewige“ Quelle der amerikanisch-angelsächsischen Selbstgewissheit, liegt der Glaube an die Richtig -und Rechtmäßigkeit ihres Handelns. Aus dieser Überzeugung wird das irritierend selbstsichere, ja überheblich-überlegene Grinsen der US-Amerikaner und das arrogante halbe Lächeln der Angelsachsen erklärlich.

 

Als weiteres Mittel, Angst und Zweifel abzuwehren, bildete sich insbesondere bei Calvinisten und Puritanern, ein das gesamte Leben als Mittelpunkt bestimmendes Berufs -und Arbeitsethos. Ein dauerndes Feld der Bewährung, denn insbesondere im beruflichen Erfolg zeigte sich wiederum das Erwählt-Sein und die besondere Gnade Gottes. Der absolute Wille zum Erfolg wurde zum Ideal. Dem „Looser“ drohte dagegen die Hölle.

 

An dieser Stelle erinnere ich an die eugenische These vom „unwerten Leben“, von den degenerierten Rassen oder den nutzlosen Existenzen, aber auch den Armen und Kranken, auch den Hungernden der sogenannten dritten Welt und nicht zuletzt an diejenigen, die im beruflichen Karrierefeld der Ehre aus den unterschiedlichsten Gründen, und sei es, weil sie sich aus unerfindlichen Gründen dagegen entschieden hatten, ihr Leben dem Erfolgsstreben zu widmen: alle diese Menschen tragen vor dem Hintergrund des zuvor umrissenen Narratives das Kainszeichen der von Gott verworfenen Menschen.

 

Ist es da nicht die Aufgabe derjenigen, die von Gott erhoben und erwählt wurden, diese vom Antlitz der Erde zu tilgen, um die Welt denjenigen allein zur Verfügung zu stellen, die als die Erwählten des Herren, somit offensichtlich frei vom Bösen, die wahren Fürsten der Welt sind.

Ihre Sicherheit und Zuversicht lässt sie frei von Bedenken agieren. Und das macht sie außerordentlich gefährlich.

 

Der Erfolg, wenn auch allem Anschein nach nicht gemäß des Urteils Gottes, sondern wegen großer Fitness und optimaler Anpassung an die Lebensbedingungen stand auch bei Darwin im Vordergrund seiner Thesen.

Inwieweit das Studium der Theologie Charles Darwin in der Formulierung seiner Evolutionsidee beeinflusst hat, vermag ich nicht zu entscheiden. Ich vermute einen starken Zusammenhang, denn, kann der Erfolg des am besten an die Lebensumstände angepassten Lebewesens zuletzt anders erklärt werden, als durch die auswählende und bestimmende Hand Gottes? „The fittest“ sein als Ergebnis von Gottes Prädestination und Gnadenwahl?

Immerhin das Prinzip des Tüchtigsten im Überleben und in der Weitergabe seiner Gene und die Dogmen vom Erwählt-Sein durch Gott und deshalb Erfolgreichen erscheinen mir zu ähnlich, um nicht vermuten zu dürfen, tatsächlich auch miteinander verwandt zu sein.

 

Die „befruchtende“ Wirkung auf Eugenik und Transhumanismus allerdings ist offensichtlich. Insbesondere, da sich die, der Menschheits-Optimierung verpflichteten Propagandisten dieser Programme, eindeutig auf Darwins Theorien beziehen.

Darwin ging davon aus, dass die existierenden Tier -und Pflanzenarten das Ergebnis eines rigiden Auswahlprozesses innerhalb der Natur waren. Die überlebens-„fittesten“ Exemplare hatten sich durchgesetzt und ihre „guten“, erfolgreichen Erbanlagen an ihre Nachkommen weitervererbt, während die anderen „schlechteren“, gescheiterten Anlagen samt ihren Trägern ausstarben.

 

Mit dem überwätigenden Erfolg der weißen Rasse, insbesondere vertreten durch die Herrscherklasse der Angloamerikaner, ließ sich jedes Gefühl der Überlegenheit mit der Evolutionstheorie wissenschaftlich rechtfertigen. Schon Darwin sah die Evidenz der unterschiedlich „erfolgreichen“ Rassen. Und so konnte es nicht ausbleiben, dass die Eugeniker sich dieser Perspektive anschlossen und sie übernahmen. Allerdings gab es neben der Konkurrenz der Rassen natürlich auch die naheliegende Konkurrenz innerhalb der Gattung und zuletzt innerhalb der Menschen eines Staates oder eines Kulturkreises. Mit der These, auch die menschlichen Gesellschaften seien Arenen evolutionären Konkurrenzkampfes wird die Grundlage für den zynischen Begriff des Sozial-Darwinismus begründet.

Nicht nur die fittesten Gesellschaften herrschten auf der Welt. In den Augen der Vertreter des darwinistisch-eugenisch-malthusischen Transhumanismus „überlebten“ auch diejenigen einzelnen Menschen mit der besten biologischen Substanz.

Da ist der Begriff des guten oder schlechten Menschenmaterials naheliegend.

 

Für die Eugeniker war der schlechte allgemeine Zustand großer Menschengruppen im Übergang seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts ein Warnsignal, dass eine Gefahr beschrieb, die den Bestand des Empires gefährdete. Dass die Menschen im England der industriellen Revolution massenhaft der katastrophalen Lebensbedingungen wegen krank und schwach waren, und somit eine Besserung des Lebens der Menschen über eine Verbesserung der Lebensbedingungen zu erreichen sei, ließ sich aus Kostengründen kaum rechtfertigen. Dass die Menschen in den Elendsvierteln an Tuberkulose und Typhus starben, sie die harten Arbeitsbedingungen nicht verkrafteten lag nach Meinung der Eugeniker an einer immer schlechter werdenden Qualität des Menschenmaterials. Was tun?

Es zeigten sich zwei Grundströmungen, die sich auch heute noch in Positionen des Transhumanismus zeigen.

Eine eher „humanistische“ Richtung wollten eine Verbesserung im Sinne einer „positiven“ Eugenik erreichen, indem sie die Fortpflanzung der Menschen mit vermeintlich guten Erbanlagen zu fördern beabsichtigten. In der Tier -und Pflanzenwelt hatte sich schon lange gezeigt, wie erfolgreich eine ausgewogene Zucht sein kann. Ein Beispiel für diesen Weg zeigt sich im Projekt „Ahnenerbe“ des Nationalsozialisten Heinrich Himmler.

Die Vertreter der „negativen“ Eugenik wollten die Fortpflanzung von Menschen mit vermeintlich schlechten Erbanlagen unmittelbar und sofort verhindern, sei es durch Kastration oder Tötung. Leider finden sich auch dafür in der deutschen Geschichte die schrecklichsten Beispiele.

 

Ich fasse noch einmal zusammen: für das Projekt der „Menschheits-Verbesserung“ braucht es zunächst eine Elite, die sich für befugt und überlegen hält, um mit Sicherheit und Überzeugung über das Leben auf diesem Planeten zu bestimmen, gewissermaßen als Stellvertreter einer höchsten Macht mit allen Befugnissen.

Das ist im christlich-judäischen Kulturkreis in den toxischen Lehren von der Erbschuld, von Prädestination und Gnadenwahl angelegt. Daraus bilden sich die kultur-epigenetischen Voraussetzungen bei Tätern und Opfern.

Aus einer geistigen Verfassung bestehend aus Erwählt-Sein-Wahn und Narzissmus. Ob sich das überwiegend psychotisch agierende Führungspersonal im Einzelfall als von Gott erwählt sieht, vermag ich nicht zu entscheiden. Sie handeln aber so.

 

Die „Täter“ werden sich kaum mit den verhängnisvollen Folgen ihres Größenwahns auseinandersetzen. Der beste „Kleber“ für die Fortsetzung des Irrsinns ist sein Erfolg.

Eher haben die „Opfer“ eine Chance ihr toxisches Erbe zu erkennen und zu verstehen. Es lebt sich womöglich viel entspannter, wenn man nicht immer versuchen muss im oben genannten Sinne „besser“ zu werden, sondern sich daran erfreut zu sein, wer man ist.

 

 

 

Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus

 

Kurt Flasch, Augustinus

 

Der Schmerz des Verlustes des Paradieses konnte nur Heilung finden durch die Annahme der Erkenntnis, das heißt Verantwortung. Die Schuld des vom Himmel getrennten Selbst milderten eigene wahre Reue und eigene aufrichtige Busse unter „Vermittlung“ wahrer Religion. Nach dem Untergang von Religion und Gott bleibt der Schmerz nun unbewältigt und ohne Trost.  Reue und Busse zu Markte getragen verfallen nunmehr als Verfügungsmasse denjenigen, die diese Mechanismen zur Verführung und Kontrolle der Menschen nutzen wollen.

Nietzsche postulierte Gottes Tod. Er warnte vor den katastrophalen Folgen und dem Rückfall in Barbarei. Die Konsequenzen des Mordes sind noch nicht durchlitten. Erst danach kann etwas Neues entstehen.

 

Es scheint, dass die „Mächtigen“ schon immer um die geistig-kognitiven Schwachstellen des Menschen und diese skrupellos zu instrumentalisieren wussten.  Das mag fast als schicksalhaft, unvermeidlich erscheinen.