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Leserbrief

Westerwald Rundschau                                                                                F.J. May

Am Wochenende                                                                                            Schulstr. 11

Kölner Straße 23                                                                                             57632 Berzhausen

                                                                                                                           9.3.2021

57610 Altenkirchen

 

Betr.:   Ausgabe Westerwald Rundschau am Wochenende, Ausgabe vom 3.3.2021, Woche 9

            „Alarmstufe Rot – Nächtliche Ausgangssperre im AK-Land“, Autor -nik-

 

Sehr geehrter -nik-,

nun handelt es sich bei der Westerwald Rundschau am Wochenende nicht um eine Publikation von überregionaler Bedeutung. Insofern muss die Hoffnung, dass eine journalistische Qualität, die höchsten Ansprüchen an einen Stand gerecht wird, der immerhin die „vierte Gewalt“ im Staate repräsentiert (wenn auch nicht in der Realität, so doch dem eigenen Anspruch nach), doch nur mit großer Milde und der Bereitschaft viele Abstriche zu machen, zum Ausdruck gebracht werden.

Aber nach dem Lesen des Artikels „Alarmstufe Rot – Nächtliche Ausgangssperre im AK-Land“ musste ich dazu doch ein paar Zeilen schreiben.  Zu großen Teilen Ihres Artikels kann man nur sagen, was soll zu dem Schlamassel schon noch „groß berichtet“ werden. Da repliziert man die „Presseverlautbarungen“ oder wie das auch immer in der Provinz genannt wird, „und gut is!“

Andererseits, problematische Begriffe mit großer Wirkung auf unser Leben wie „Inzidenz“ könnten erklärt werden. Aber dieser Begriff wird ja auch sonst nicht auf eine wissenschaftliche Überprüfung zurückgeführt, die mehr ist als eine These oder eine Behauptung. Und um wirklich nachvollziehen zu können, wie aus einer willkürlichen Wortschöpfung ein Bedeutungs-Moloch entstehen kann, der uns allen nach Belieben einschneidende Veränderungen in unserem Leben aufzwingt, muss man Überlegungen anstrengen, die nicht mit den gängigen Meinungsleitschienen vereinbar sind. Denken Sie nur daran, dass der „Inzidenz-Frame“ dazu geführt hat, dass wir nicht mehr von Grundrechten reden sondern auf die Gewährung von Freiheiten hoffen. (Das wär doch mal ein Thema für kritischen Journalismus!)

Aber dann fangen Sie in dem Text an, von Bürgern zu reden, die sich nicht mehr „wohl verhalten“. Dann ist die Rede von „an manchen Stellen nicht richtig aufgepasst“, und von ungezogenen Bürgern, die wohl doch nicht ganz ablassen konnten vom Karneval. Haben Sie diese „Lümmel“ bei Ihrem unverantwortlichen, unbotmässigen und ungehorsamen Tun beobachtet? Eher nicht! Vor meinem inneren Auge stelle ich mir folgende Szene vor. Da sieht man Sie, -nik,- eifrig kritzeln, um die Worte von Denunzianten zu notieren. Natürlich werden keine Namen genannt, keine echten Beschuldigungen vorgebracht oder gar Beweise. Und um die Stimmung, die aus solcher üblen Rede resultiert noch weiter anzustacheln, liest man dann davon „nun müsse der ganze Kreis büßen“. Die braven, einsichtsvollen Bürger müssen nun leiden, wegen einiger weniger verantwortungsloser Gesellen. In der Folge sollen dann die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden. Vielleicht indem man sie an den Pranger stellt, auf dem Schlossplatz vielleicht. Aber nein, da begegnet man ja niemandem mehr. Die mögliche Wirkung, in Form von noch gehorsameren, noch angstvolleren Bürgern wäre verschenkt.

Die Sprache des Artikels verschärft sich. Es ist von braven, regelkonformen Bürgern die Rede und von den Hammerschlägen die diese Unschuldigen treffen. Zuletzt ist dann von „Vernunft“ die Rede. Echt jetzt? Vernunft kommt von „vernehmen“, also eigentlich von wahrnehmen. Das aber verlangt, sich mit den Fragen der Zeit auseinanderzusetzen. Und dann müsste man zu allererst fragen, wie kommt irgendein Mitarbeiter von irgendeinem Ordnungs- oder Gesundheitsamt auf den „Inzidenzwert“?

Werden da irgendwelche Kranken gezählt?

Ein Wert per 100.000.?

Hunderttausend was?

Getestete! Hoppla da hat Altenkirchen eine Großleistung erbracht und mindestens einhunderttausend Menschen getestet. Da fehlen dann ja gerade nur noch knapp 30000. Dann wüsste man es aber ganz genau.

Oder hat man geschätzt, nennt das aber nach wissenschaftlichen Kriterien ermittelt? Folgen Sie Ihrem journalistischen Spürsinn und recherchieren Sie mal, wie diese Zahlen zusammen kommen. Vielleicht trifft es Sie es dann wie die braven Bürger Altenkirchens.

Aber nur als Hinweis: Die Zahl von 117 (oder so) heißt folgendes: von 100000 mit dem pcr-Test getesteten Probanden, sind 117 Menschen krank, richtiger gesagt „der Test ist positiv“. Das entspräche etwa 0,1 % der Getesteten. Per Definition des RKI wäre DAS eine sehr seltene Krankheit.

Aber sind diese 117 (oder so) dann wirklich und wahrhaftig an SarsCov2 erkrankt?

Ist überhaupt von Kranken oder Infizierten die Rede.

Das kann man so nicht sagen: Der pcr-Test kann keine Infektion feststellen und er kann nicht, so wie er angewendet wird, einen Virus nachweisen. Das wird mittlerweile auch von der WHO verkündet, und auch vom RKI, wenngleich immer noch ein wenig schüchtern.

Von positiv Getesteten, als von Infizierten zu reden, ist also mindestens eine außergewöhnlich ungenaue sprachliche Regelung. Da wollen wir nicht von Lüge sprechen, denn das hätte höchst schmerzhafte Konsequenzen. Schon mal von „Kognitiver Dissonanz“ gehört?

Dabei haben wir von den berühmten falsch positiven Ergebnissen des pcr-Test noch gar nicht geredet. Zurzeit kommen in der BRD mehr als 100 verschiedene pcr-Tests zur Anwendung, für die es keine einheitliche Regelung oder Normierung gibt. Diese Tests haben eine variable falsch-positiv-Rate zwischen 0,5% und weit über 1%. Was heißt das?

Stellen Sie sich vor, der Test wäre ein Schwangerschaftstest für Männer. Bei einhunderttausend Tests wären immer zwischen fünfhundert Männern und tausendfünfhundert Männer schwanger. Egal was passiert einen „echten“ Inzidenzwert von unter fünfzig pro 100000 können wir nicht erreichen. Und möglicher weise ahnen Sie jetzt den „WERT“ des Inzidenzwerts? Der Test in AK-Land hat natürlich keine falsch positiven Ergebnisse und es sind auch 100000 Menschen getestet worden, von denen sich dann 117 (oder so) als infiziert erwiesen haben. Ich vermute, dass in Altenkirchen endlich auch mal gezeigt werden sollte, dass die Verwaltung hart durchgreifen kann. Ich hoffe, dass zwei Wochen reichen, um das Gefühl von Stärke und Macht auszukosten. Und natürlich hoffe ich, dass die Bürger tatsächlich Vernunft annehmen.

Kennen Sie die Vorrede des Philosophen Immanuel Kant in seinem Text „Was ist Aufklärung“?

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“

 

Mit freundlichen Grüßen